Wer sich mit unseren nachbarschaftlichen Fragen beschäftigt, frägt sich in letzter Zeit: Sind wir im Belagerungszustand? Frankreich sendet Steuerspione in die Schweiz, Deutschland kauft CDs und Italien kontrolliert die Grenze mit Überwachungskameras.
Als Präsidentin der Delegation für die Beziehungen zum Deutschen Bundestag durfte ich vor kurzem mit sechs weiteren National- und Ständeräten in Berlin politische Gespräche führen. Beim Steuerabkommen zeigte sich, wie deutsche Oppositionsparteien die Schweiz sehen: SPD-Finanzexperte Joachim Poß warf Schäuble vor, er mache sich "zum Komplizen einer fragwürdigen Weissgeldstrategie der Schweiz und der Schweizer Banken". "Das ist ein Ablasshandel", meinte Barbara Höll (Die Linke) vor dem Bundestag zu Wolfgang Schäuble "Ihr Vorschlag ist ein Geschenk für Steuerbetrüger, für die Schweizer Finanzindustrie und eine Einladung für organisierte Steuerkriminalität". Kurz, bei SPD, Grünen und Linken ist das Vertrauen in den Rechtsstaat Schweiz offensichtlich gleich Null. Vielleicht müsste unsere SP einmal das System der Schweizer Verrechnungssteuer den Deutschen Kollegen erklären.
Beim Fluglärmstreit sieht es nicht besser aus. Neben SPD lehnen alle MDB aus Baden-Württemberg den ausgehandelten Vertrag ab. Nicht der gemessene Lärm, nein, jeder einzelne Überflug zählt. Dass die Waldshuter neu bereits ab 18h Ruhe hätten, wird ausgeblendet. Den Schweizer Privatverkehr im grenznahen Raum dagegen ertragen die Deutschen gerne, da er ihnen Umsatz bringt. Unsere Süddeutschen Freunde setzen sich in Berlin vehement für die Rückerstattung der Mehrwertsteuer bei kleinsten Beträgen ein und stören sich nicht an der Steuerumgehung und den ungleichen Spiessen im Detailhandel, diesseits und jenseits der Grenze.
Kolumne erschienen im Tagblatt der Stadt Zürich 14.11.12